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01.04.2016

In Gedenken an Hans-Dietrich Genscher †, unseren Pritschenträger 1990

Es ist der 3. Februar 1990. Ein Samstag, ein Tag, der in die Geschichte der Prinzengarde Blau-Weiss eingeht. Im großen Saal des Hilton Hotel freuen sich 850 festlich gekleidete Ballgäste auf den Beginn der Gala-Nacht in Blau und Weiss. Im Foyer hingegen herrscht nervöse Unruhe. Der Vorstand um Präsident Engelbert Oxenfort hat soeben erfahren, dass sich der Ehrengast des Abends verspätet: Die Boeing 707 der Luftwaffe mit dem Bundesaußenminister an Bord befindet sich noch in der Luft. Hans-Dietrich Genscher kommt direkt aus Washington, wo er mit seinem Kollegen James Baker intensive Verhandlungen über die Zukunft der beiden deutschen Staaten geführt hat. Vor 21 Uhr, soviel steht fest, wird der Ehrengast nicht eintreffen. Engelbert Oxenfort und seine Vorstandskollegen Dr. Klaus Becker und Horst Hennesen informieren das Publikum, bitten um Geduld und zum Tanz. 

 

Kurz nach 21 Uhr landet der Luftwaffenjet in Düsseldorf. 20 Minuten später trifft der Minister im Hilton ein. Sicherheitskräfte begleiten ihn und seine Ehefrau Barbara in eine Suite. Durchatmen. Der Blau-Weiss-Präsident besucht seinen hohen Gast, der sich inzwischen umgezogen hat und einen schwarzen Smoking trägt. Oxenfort sieht es sofort: Der Außenminister wirkt müde und erschöpft, die Anspannungen der letzten Tage haben deutliche Spuren hinterlassen. Der Chef des Weinhauses Tante Anna hat allerdings klugerweise vorgesorgt. Während er Seite an Seite mit dem Ehrengast und dessen Gattin durch das jubelnde Publikum zum Ehrentisch Nummer 1 schreitet, wartet dort bereits einer von Genschers Lieblingsweinen. Oxenfort: „Seit unserer ersten Begegnung im Weinhaus Tante Anna wusste ich, dass Hans-Dietrich Genscher gern ein Glas Randersacker Bocksbeutel genießt. Und so habe ich ihm genau diesen Wein angeboten.“ Die Wirkung war verblüffend. Oxenfort: „Dieser Wein ließ den Außenminister förmlich aufblühen.“ 

 

Mehr noch: Auf dem Höhepunkt der Gala-Nacht nach der Verleihung der Goldenen Pritsche tritt ein bestens gelaunter Minister ans Rednerpult um sich bei seinen Gastgebern zu bedanken. Und er tut dies in einer Weise, die wohl niemand erwartet hat: Hans-Dietrich Genscher hält eine echte Büttenrede, gespickt mit viel Witz und Humor und phänomenalen Passagen, in denen er sich selbst auf den Arm nimmt. Engelbert Oxenfort: „Die Ballgäste waren völlig aus dem Häuschen und haben wie verrückt applaudiert und mit den Füssen getrampelt.“ 

 

Die Stimmung im Saal hat inzwischen den absoluten Höhepunkt erreicht. Da betritt Jörg Knör, der Stargast des Abends, die Bühne und begeistert mit seiner einmaligen Parodieshow. Gleichzeitig beweist Knör sein herausragendes Talent als Karikaturist und zeichnet u.a. ein perfektes Portrait des neuen Pritschenträgers. Perfekt? Nein, meint Hans-Dietrich Genscher. Er greift zum Marker-Stift und vergrößert Augenbrauen und Ohren. Das Publikum rast: eine Gala-Nacht für das Geschichtsbuch.

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